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| PM 11/2012

Sozialistische Vermächtnisse und unvollendete Bodenreformen prägten die Agrarlandnutzung in Osteuropa

Die in den Environmental Research Letters veröffentlichte Forschungsarbeit „Auswirkungen institutioneller Veränderungen auf die Landnutzung: Das Brachfallen landwirtschaftlich genutzter Flächen während des Ãœbergangs von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft im postsowjetischen Osteuropa" stand unter der Leitung von IAMO-Wissenschaftler Dr. Alexander V. Prishchepov und wurde in Zusammenarbeit mit seinen Kollegen am IAMO, der University of Wisconsin-Madison und der Humboldt Universität zu Berlin verfasst. Projektgegenstand ist die Untersuchung der Effekte von veränderten Rahmenbedingungen nach dem Zusammenbruch des Sozialismus auf Umfang landwirtschaftlicher Flächen in Polen, Weißrussland, Lettland, Litauen und im europäischen Teil Russlands zwischen 1990 und 2000. In jedem dieser Länder gab es einen eigenen Ansatz für institutionelle Reformen während der postsozialistischen Transformation. Sie waren jeweils durch aus der sozialistischen Epoche stammenden Landbesitzrechte und vorhandenen Agrarstrukturen charakterisiert. Die Untersuchung zeigt, wie Aspekten des institutionellen Wandels zu höchst unterschiedlichen Veränderungen von landwirtschaftlich genutzten Flächen bei ähnlichen agrarökologischen Bedingungen führt.

So wurden die höchsten Zuwachsraten an landwirtschaftlichen Brachflächen in solchen Regionen festgestellt, in denen der postsozialistische Reformprozess zwar begonnen hatte, aber nicht bis zum Ende des ersten Transformationsjahrzehntes abgeschlossen war. Die höchsten Raten wurden im Baltikum gefunden (43% aufgegebener Agrarflächen in Lettland und 29% in Litauen seit dem Zusammenbruch der Sozialismus). Im Baltikum wurden Flächen auf frühere Eigentümer rückübertragen, jedoch gab es noch keine funktionierenden Märkte für Grund und Boden. Zudem führten schnelle wirtschaftliche Entwicklungen zu einem Bedeutungsverlust der Landwirtschaft im Vergleich zu anderen volkswirtschaftlichen Sektoren. In Russland fielen in den ersten zehn postsozialistischen Jahren 31% der landwirtschaftlichen Flächen brach. Das war das Ergebnis einer 90%igen Kürzung der staatlichen Subventionen für die Landwirtschaft sowie der russischen Bodenreform, die die sozialistischen Betriebsstrukturen aufrechterhielten und ein Moratorium von Landverkäufen aufrecht erhielt, welches erst 2003 aufgehoben wurde. Umgekehrt gab es den geringsten Rückgang landwirtschaftlich genutzter Flächen in Weißrussland und Polen mit 10% bzw. und 16%. Dieses hatte jeweils unterschiedliche Gründe. Weißrussland gelang es, die meisten Agrarflächen durch Beibehaltung der aus sozialistischen Zeiten überkommenen Großbetriebsstrukturen und hohe staatliche Zuwendungen für die Landwirtschaft in der Bewirtschaftung zu halten. Polen erlebte nur vergleichsweise geringe Änderungen an den Betriebsstrukturen in der Transformationsphase, da die Landwirtschaft im Sozialismus durch ein Nebeneinander von einer Vielzahl an Privatbetrieben und einigen Staatsbetrieben, deren Flächen nach dem Zusammenbruch des Sozialismus verkauft wurden, gekennzeichnet war.

Das heißt, die sozialistischen Vermächtnisse waren im Verbund mit postsozialistischer staatlicher Förderung der Landwirtschaft ausschlaggebend für den Verlauf des Brachfallens von Land. Dabei wird die Bedeutung des institutionellen Wandels und der Bodenreformstrategien entlang der Ländergrenzen sehr eindrucksvoll sichtbar, wie etwa in den Unterschieden zwischen Weißrussland und Russland (siehe Abb. 1 und 2). Durch die Untersuchung der Muster und Triebkräfte dieser Unterschiede kann ein besseres Verständnis dafür entwickelt werden, wie man den bisher ungenutzten Produktionspotentialen von landwirtschaftlicher Brachflächen in den Regionen begegnen kann.

„Institutionelle Änderungen können gravierende Auswirkungen auf die Landnutzung haben", sagt Prishchepov. Aus amtlichen Statistiken geht hervor, dass einige in den vergangenen zehn Jahren brachliegenden Ackerflächen in Lettland, Litauen und Polen inzwischen wieder bewirtschaftet werden – nach Abschluss der Bodenreformen aber sicher auch aufgrund der Subventionen gemäß der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Gleichzeitig stiegen in Weißrussland und im untersuchten Teil von Russland die aufgegebenen landwirtschaftlichen Flächen. Als Gründe dafür werden die nicht abgeschlossenen Bodenreformen angenommen. Es wurde festgestellt, dass in Russland wahrscheinlich über 50 Mio. ha Ackerbauflächen gegenwärtig brachliegen. „Die Länder Osteuropas und die ehemalige Sowjetunion haben große Potenziale für die zukünftige Steigerung der Agrarproduktion, da viel potentiell nutzbare landwirtschaftliche Fläche brachliegt sowie genutzte Flächen häufig geringe Ertragsraten aufweisen", so schlussfolgert Prishchepov.

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Publikation

Prishchepov, A., Radeloff, V., Baumann, M., Kuemmerle, T., Müller, D. (2012): Effects of institutional changes on land use: agricultural land abandonment during the transition from state-command to market-driven economies in post-Soviet Eastern Europe, Environmental Research Letters, Vol. 7, No. 2.
http://iopscience.iop.org/1748-9326/7/2/024021/

Über das IAMO

Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) widmet sich der Analyse von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie in den ländlichen Räumen. Sein Untersuchungsgebiet erstreckt sich von der sich erweiternden EU über die Transformationsregionen Mittel-, Ost- und Südosteuropas bis nach Zentral- und Ostasien. Das IAMO leistet dabei einen Beitrag zum besseren Verständnis des institutionellen, strukturellen und technologischen Wandels. Darüber hinaus untersucht es die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Agrar- und Ernährungssektor sowie die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung. Für deren Bewältigung werden Strategien und Optionen für Unternehmen, Agrarmärkte und Politik abgeleitet und analysiert. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 gehört das IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft an.

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