Sozialwissenschaftler Aufsatz mit Thyssen Preis geehrt

IAMO-Wissenschaftler Michael Kopsidis wurde für seinen Aufsatz „Bäuerliche Landwirtschaft und Agrarwachstum: Südosteuropas 1870-1940 im Licht moderner Entwicklungstheorie“ mit dem dritten Preis der Fritz Thyssen Stiftung für sozialwissenschaftliche Aufsätze des Jahrgangs 2014 ausgezeichnet. Die Jury des Thyssen Preises, bestehend aus zehn Universitätsprofessoren und -koordinatoren, ehrte den im „Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte“ erscheinenden Beitrag mit einem Preisgeld. Im Rahmen des Auswahlprozesses wurden die nominierten Arbeiten zuvor von Herausgebern und Redakteuren von 16 deutschsprachigen Zeitschriften in den Sozialwissenschaften vorgeschlagen.

Der Autor Kopsidis setzt sich in seinem Aufsatz mit den Entwicklungsproblemen des Agrarsektors in Südosteuropa während der Zeit zwischen 1870 und 1940 auseinander. Eine angeblich entwicklungsunfähige bäuerliche Landwirtschaft gilt häufig als wichtigste Ursache für gescheiterte Industrialisierungsbemühungen und verfestigte ökonomische Rückständigkeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Der radikale Paradigmenwechsel in der modernen Entwicklungstheorie mit seiner positiven Sicht bäuerlicher Landwirtschaft als Motor einer erfolgreichen marktorientierten Agrarentwicklung und Modernisierung hatte bisher auf die Geschichtsschreibung zu Südosteuropa keinen Einfluss. Versteht man Agrarwachstum als einen nachfrageinduzierten Prozess, so ergibt sich nach Meinung des Autors, dass langfristigem Agrarwachstum in Südosteuropa insbesondere im Vergleich zu Nordwesteuropa sehr enge Grenzen gesetzt waren. Interpretiert man die Fakten im Licht neuerer Entwicklungstheorie, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die bäuerlichen Agrarproduzenten des Balkans ihr Wachstumspotential sehr wohl so weit als möglich ausgenutzt haben. Schleppendes Wachstum in Südosteuropa vor dem Zweiten Weltkrieg war demnach nicht das Resultat eines entwicklungsfeindlichen, marktfernen „bäuerlichen Traditionalismus“.

Der Preis der Fritz Thyssen Stiftung für die besten sozialwissenschaftlichen Aufsätze in der deutschen Sprache wurden durch eine Jury im Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) der Universität Köln zum 34. Mal vergeben. Der Zeitschriftenpreis wurde vom deutschen Soziologen Erwin K. Scheuch im Jahre 1981 initiiert und ist der einzige Preis in den Sozialwissenschaften außerhalb des englischsprachigen Bereichs.