Hilfsnavigation

Zur Navigation - Zum Inhalt

Studie beleuchtet den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und dem Rückgang der Murmeltierpopulation in Kasachstan

Daniel Müller und Catalina Munteanu veröffentlichten in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society B eine Studie, die anhand von historischen Spionage-Satellitenbildern einen langfristigen Rückgang der Murmeltierpopulation als Reaktion auf die Ausdehnung von Anbauflächen nachweist.

In den sechziger Jahren wurden einige der ersten Satelliten, die entwickelt wurden, für Spionagezwecke ins All geschossen. Sie sammelten weltweit Bilder (ähnlich Google Earth), mit denen Atomraketen aufgespürt werden sollten. Diese längst in Vergessenheit geratenen Daten werden nun von Wissenschaftlern verwendet, um aktuelle Umweltherausforderungen in Angriff zu nehmen. Im Rahmen ihres Projektes EcoSpy untersuchte die zuvor am IAMO tätige Wissenschaftlerin Catalina Munteanu, wie Corona-Bilder für Informationen zum Naturschutz verwendet werden können. Gemeinsam mit einem internationalen Wissenschaftlerteam verfolgte Munteanu Veränderungen in der Steppenmurmeltierpopulation, indem sie die Anzahl der Baue auf den Bildern aus den sechziger Jahren zählte und diese mit aktuelleren Google Earth Bildern verglich. Zwei überraschende Erkenntnisse ergaben sich aus der Arbeit.

Das Steppenmurmeltier (Marmota bobak) ist eine sogenannte Schlüsselart der eurasischen Steppen, dessen Population noch immer durch die Ausweitung der Landwirtschaft vor über 50 Jahren zurückgeht. Die über die Zeit von den Wissenschaftlern gezählten Baue ging in den Gebieten am stärksten zurück, in denen ständig seit den Sechzigern Weizen angebaut wurde, wobei diese Zahl in den noch bestehenden Steppengebieten, dem natürlichen Lebensraum der Murmeltiere, meist stabil blieb. Es handelt sich hier höchstwahrscheinlich um die längste aufgezeichnete Reaktion einer Säugetierart auf die Ausweitung der Landwirtschaft in der Vergangenheit.

Die zweite überraschende Erkenntnis ist, dass in vielen Fällen genau dieselben Baue seit über 50 Jahren von den Murmeltieren genutzt wurden. Das bedeutet, es wurde von ganzen acht Generationen von Murmeltieren genau dasselbe Bausystem verwendet – trotz großflächiger Ausweitung der Landwirtschaft. Diese faszinierenden Erkenntnisse unterstreichen, dass Landnutzung und Schutzentscheidungen langfristig ausgelegt sein müssen, denn was wir heute tun, wird die Artenvielfalt für Jahrzehnte beeinflussen.

Die Geschichte der Murmeltiere in Kasachstan ist wahrscheinlich nicht einzigartig, denn viele andere Arten werden von menschlichen Eingriffen über lange Zeiträume betroffen sein. Die Corona-Daten bieten eine herausragende Möglichkeit, Fragestellungen dazu zu untersuchen, wie das menschliche Handeln in der Vergangenheit die Umwelt bis heute beeinflusst. Corona-Daten wurden bisher sehr wenig genutzt, obwohl sie detailreiche Informationen bieten und die gesamte Welt abdecken. Das Team von EcoSpy hofft, dass diese Arbeit dazu beiträgt, die Corona-Daten erheblich mehr für ökologische Langzeitstudien zu nutzen, da diese Studien von grundlegender Bedeutung für die Auseinandersetzung mit aktuellen Herausforderungen in der Biodiversätsproblematik sind.

Wissenschaftliches Manuskript: Munteanu C, Kamp J, Nita MD, Klein N, Kraemer BM, Müller D, Koshkina A, Prishchepov AV, Kuemmerle T. 2020 Cold War spy satellite images reveal long-term declines of a philopatric keystone species in response to cropland expansion. Proc. R. Soc. B 20192897. http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2019.2897


Kontakt

Prof. Dr. Daniel Müller

Prof. Dr. Daniel Müller

Stellvertretender Leiter der Abteilung Strukturwandel
Ombudsperson für Gute Wissenschaftliche Praxis
Zimmer: 239

zum Profil