Lange Zeit wurden Landwirtschaft und Landleben von vielen Zeitgenossen als irrelevant oder altmodisch abgetan. Im Gegensatz zu den Städten als Zentren der intellektuellen Debatte und der politischen Entscheidungsfindung schien der ländliche Raum zunehmend an Bedeutung zu verlieren. Heute beginnen Politiker in vielen europäischen Ländern zu begreifen, dass die Vernachlässigung des ländlichen Raums zu ernsten Problemen geführt hat. Ebenso erinnern sich Historiker:innen daran, dass die europäische Geschichte im 20. Jahrhundert stark von Problemen im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion, dem Zugang zu natürlichen Ressourcen, Landrechten und der politischen Vertretung und dem Aktivismus der Landbevölkerung beeinflusst wurde. Das Handbuch bietet daher einen Überblick über das historische Wissen zu einer Vielzahl von Themen im Zusammenhang mit dem Land. Es tut dies aus einer eindeutig handlungsorientierten und genuin europäischen Perspektive. Anstatt verschiedene nationale Ansätze zum Leben mit dem Land zu vergleichen, konzentrieren sich die einzelnen Kapitel auf bestimmte Aktivitäten - von der Vermessung bis zur Besiedlung des Landes, von der Erzeugung und dem Verkauf von Lebensmitteln bis zur Verbesserung des agronomischen Wissens, von der Organisation des ländlichen Lebens bis zur Infragestellung politischer Strukturen auf dem Land. Darüber hinaus überwindet das Handbuch die traditionelle Trennung zwischen Ost und West, Nord und Süd, indem es einen transregionalen Ansatz verfolgt, der es den Leser:innen ermöglicht, ein Verständnis für Ähnlichkeiten und Unterschiede über nationale und ideologische Grenzen hinweg im Europa des zwanzigsten Jahrhunderts zu gewinnen.
"On the “Contemporary European History” Handbook Series". Living with the Land: Rural and Agricultural Actors in Twentieth-Century Europe – A Handbook, edited by Liesbeth van de Grift, Dietmar Müller and Corinna R. Unger, Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2022, pp. VII-VIII. https://doi.org/10.1515/9783110678628-001