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IAMO Forum 2020: Interview mit Plenarredner Wenbin Wu (CAAS)

„Digitale Transformation im Bereich der Lebensmittelwertschöpfungskette ist ein komplexer und systemverändernder Prozess, der über die technologische Innovation allein hinausgeht.“

Digitale Innovationen werden zukünftig als die wichtigsten Triebkräfte für das Wachstum der Lebensmittelwirtschaft angesehen. Im Hinblick auf das kommende IAMO Forum 2020, das sich mit der digitalen Transformation von Wertschöpfungsketten im Agrar- und Ernährungssektor in Eurasien beschäftigt, führt das IAMO im Vorfeld eine Reihe von Interviews mit Plenarrednern des Forums durch.

Wenbin Wu ist Forschungsprofessor an der Chinese Academy of Agricultural Sciences (CAAS). In seinem Interview mit dem IAMO spricht er über die Rolle, den Nutzen und das Risiken der digitalen Transformation im Bereich der Lebensmittelwertschöpfungskette in China.


IAMO: Neue Technologien spielen in der chinesischen Landwirtschaft heutzutage eine wichtige Rolle. Welche Stufen der Lebensmittelwertschöpfungskette sind Ihrer Meinung nach am stärksten digitalisiert und welche Auswirkungen zeigen sich durch die Einführung neuer Technologien in diesen Sektoren?

Wenbin Wu: Die Lebensmittelwertschöpfungskette umfasst die Produktion, Verarbeitung, den Transport und Verbrauch, wodurch viele Entscheidungsträger beteiligt sind. Hinsichtlich der gegenwärtigen digitalen Transformation der Lebensmittelwertschöpfungskette in China ist meiner Meinung nach der Verbraucherlink am Kettenende am weitesten entwickelt, gefolgt von Warenverkehr und Logistik. Der Grund, warum diese beiden Links hier vorn liegen, ist, dass die digitale Transformation einfach gebraucht wird und sehr viele Vorteile mit sich bringt. Betrachten wir beispielhaft den Verbraucherlink. Mit der Entwicklung des mobilen Internets ist der landwirtschaftliche e-Commerce in China stark gestiegen und bietet zahlreiche öffentliche und Basisplattformen. Damit wird es für Landwirtinnen und Landwirte einfach, ihre Produkte direkt online zu verkaufen und somit Vermittlerlinks zu vermeiden, die Produktionskosten zu senken und das Problem der generellen Komplexität des Absatzes landwirtschaftlicher Produkte zu lösen. Gleichzeitig ermöglicht die schnelle Verbreitung mobiler Zahlungsmethoden und bequemer Express-Service den Kunden in China, bessere landwirtschaftliche Produkte nach ihren persönlichen Vorlieben auszuwählen, den Kauf einfach im Internet zu einem günstigen Preis zu tätigen und die verschiedensten landwirtschaftlichen Produkte nach Hause geliefert zu bekommen. Außerdem bringt die digitale Transformation im Warenverkehr viele Vorteile. Sie kann dazu beitragen, die Marktsituation, die auf den Big Data basiert, besser zu verstehen, die Verteilgenauigkeit der landwirtschaftlichen Produkte zu steuern und die Effizienz der Betriebsabläufe zu verbessern. Gleichzeitig wird das Monitoring der Produktqualität unterstützt, und Verluste an landwirtschaftlichen Produkten entlang der Nahrungsmittelkette werden vermindert.

IAMO: China hat in den letzten Jahren die großflächige Landwirtschaft unterstützt. Würden Sie der Aussage zustimmen, dass digitale Innovationen hauptsächlich großen landwirtschaftlichen Betrieben nutzen und kleinere erheblich weniger positive Effekte der Digitalisierung spüren?

Wenbin Wu: Tatsächlich hat China in den vergangenen Jahren aktiv moderate Betriebsgrößen gefördert, um die Ertragsfähigkeit, Arbeitsproduktivität und Ressourceneffizienz zu verbessern. Jedoch dominiert insgesamt die kleinbäuerliche Landwirtschaft noch immer in China. Aufgrund der offensichtlichen Vorteile bei der Anwendung digitaler Technologien, wie zum Beispiel Verbesserungen in der Effizienz und der Produktqualität, Kostenreduktion in der landwirtschaftlichen Produktion und Ersatz der schwindenden Arbeitskräfte, sind größere Betriebstypen wie Familienbetriebe, größere Unternehmen und andere aufstrebende Erzeuger hochmotiviert, in China digitale Technologien zu implementieren. Gleichzeitig genießen auch Kleinstbetriebe die Vorzüge der Anwendung digitaler Technologien, einschließlich des Zugangs zu Marktinformationen und der Verwendung metrologischer Dienste im Produktionsprozess. Diese Vorteile sind jedoch weniger ausgeprägt als bei größeren Agrarunternehmen, wobei Effizienzsteigerungen durch die Anwendung dieser Datentechnologien immer noch auf einem niedrigen Niveau stattfinden. Aufgrund der geringen betrieblichen Abdeckung bringen digitale Technologien nicht sehr viel Mehrwert. Außerdem ist für viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern die Landwirtschaft nicht die Haupteinnahmequelle für ihre Familien, so dass wenig Ansporn für die Nutzung digitaler Technologien bei der Bewirtschaftung besteht. Hier handelt es sich genau um die Herausforderungen, die China gerade versucht anzugehen. Wir müssen verstehen, wie wir effizient kleinbäuerliche Unternehmen mit großen Märkten verbinden können, wie digitale Lösungen, die auf die Bedürfnisse der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zugeschnitten sind, angeboten werden können und wie die Kosten für diese Technologien reduziert und die Barrieren bei deren Nutzung abgebaut werden können. Hier gibt es ständig Fortschritte und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern werden in immer größerem Maße von der digitalen Transformation profitieren.

IAMO: Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Transformation der Lebensmittelwertschöpfungskette in China?

Wenbin Wu: Die digitale Transformation ist ein systemverändernder und komplexer Prozess, der über technische Innovationen hinausgeht. Dieser Prozess umfasst auch Neuerungen in der Politik, den Institutionen, der Talentförderung, in den Geschäftsmodellen und in anderen Bereichen, die in den Aufbau eines Ökosystems der digitalen Transformation einzubeziehen sind, um die erfolgreiche Digitalisierung des Agrarsektors zu ermöglichen. Hinsichtlich der digitalen Transformation der Landwirtschaft in China müssen die Support-Plattformen für die digitale Transformation gestärkt werden. Es gibt viele gebräuchliche Technologien, Basisplattformen und Umgebungen für Hard- und Software-Provider. Diese Infrastruktur ist die rein physische Grundlage für die digitale Transformation durch Anwendungen und Dienstleistungen. Weiterhin müssen wir den landwirtschaftlichen Erzeuger als das schwächste Glied einer digitalisierten Nahrungsmittelkette ansprechen. Einerseits wird die technische Innovation gebraucht, damit kostengünstige und einfache Lösungen für die digitalen Bedürfnisse von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bereitgestellt werden können. Andererseits müssen wir die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern für digitale Technologien begeistern, damit sie davon profitieren können. Schließlich müssen wir die Bemühungen der Regierung, der Branche, in der Bildung und der Forschung miteinander verbinden. Das ist sehr wichtig, weil wir berücksichtigen müssen, wie die unterschiedlichen Akteure ihre jeweilige Rolle übernehmen können, insbesondere um landwirtschaftsnahe Unternehmen zu gewinnen, die dann die digitale Transformation befördern und an ihr teilhaben, unter anderem mit dem Ziel, die Ökologie zu verbessern und eine nachhaltige Entwicklung zu sichern.

IAMO: Können Sie Risiken der Digitalisierung des chinesischen Agrarsektors benennen?

Wenbin Wu: Bei der digitalen Transformation geht es um die Etablierung eines virtuellen und digitalen Agrarsektors. Die Sicherstellung der Informationssicherheit nimmt hier eine Schlüsselrolle ein. Zusätzlich kann im Kontext der ständigen Datenakkumulation und der Entwicklung von Datenplattformen die Situation entstehen, dass nur wenige Service Provider die absolute Marktführung übernehmen, was mit dem Risiko der Exklusivität und des unfairen Wettbewerbs verbunden ist.

IAMO: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.


Das IAMO Forum 2020 mit dem Titel „Digital transformation – towards sustainable food value chains in Eurasia“ findet vom 24. bis 26. Juni 2020 als Online-Konferenz statt. Die Anmeldung zur Veranstaltung ist bis zum 2. Juni 2020 möglich. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte die Konferenzwebseite.


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