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| PM 04/2017

Zeiten politischer Umbrüche haben langfristige Landnutzungsfolgen

Historische Karten und Satellitenaufnahmen offenbaren die hohe ökologische Verantwortung, die wir für nachfolgende Generationen tragen.

Unsere Entscheidungen zur Landnutzung können Landschaften auch noch in hunderten von Jahren beeinflussen. In Zeiten politischer Umbrüche sind die Auswirkungen sogar größer. Das sind die Forschungsergebnisse von Dr. Catalina Munteanu, Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO). Gemeinsam mit mehreren Co-Autorinnen und -Autoren hat sie die Studie "19th century land-use legacies affect contemporary land abandonment in the Carpathians" vorgelegt, die jetzt im Journal Regional Environmental Change veröffentlicht wurde. Ihre Analyse historischer Karten und aktueller Satellitenbilder zeigt, dass die Art und Weise, wie Menschen Land in der Vergangenheit genutzt haben, auch heute noch Einfluss auf Landveränderungen hat. Diese Effekte bezeichnet Munteanu als "land use legacies" (langfristige Folgen historischer Landnutzung) und sie sind in Zeiten politischen Wandels besonders groß. Diese Erkenntnis ist bedeutsam, da viele Regionen der Welt aktuell drastische sozioökonomische und politische Umbrüche durchleben und dabei oftmals vergessen wird, dass unsere Handlungen langfristige Folgen für die Umwelt haben können.

In ihrer Studie arbeitet Munteanu heraus, dass die Effekte der Landnutzung auch noch hundert Jahre später nachwirken. Ein Konsortium europäischer und US-amerikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, u. a. von der University of Wisconsin-Madison, dem IAMO und der Humboldt-Universität zu Berlin, war an der Forschungsarbeit beteiligt. Sie betrachteten beispielhaft die Karpaten in Osteuropa, um den Wandel landwirtschaftlicher Nutzflächen in verschiedenen politischen Perioden zu analysieren. Die Gebirgsgruppe der Karpaten erstreckt sich über die Länder Rumänien, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Ukraine und Polen. Betrachtungszeiträume waren das Habsburger Reich, die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und die Zeit des Sozialismus. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden dabei nicht nur heraus, dass die historische Landnutzung beeinflusst, ob eine landwirtschaftliche Fläche brach gelegt wird, sondern auch, dass im Falle eines politischen Umbruchs, wie dem Übergang von der Habsburger Monarchie zum totalitären sozialistischen Regime, die historische Landnutzungsentscheidung eine größere Rolle für zeitgenössische Landnutzungsmuster zu spielen scheint als Entscheidungen aus politisch stabilen Zeiten.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sichteten und digitalisierten Karten von 1860 an und verglichen diese mit aktuellen Satellitenbildern. Alle Daten sind inzwischen online verfügbar. "Die Ergebnisse sind erstaunlich. Ausgehend von diesen wunderschönen historischen Karten können wir zeigen, welch große Verantwortung wir für künftige Generationen tragen", sagt Hauptautorin Dr. Catalina Munteanu. Sie hat in den vergangenen vier Jahren zu dem Thema an der University of Wisconsin-Madison, USA, promoviert. Seit Oktober 2016 ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAMO tätig. Bereits im letzten Jahr hatte das Konsortium eine Studie veröffentlicht, die deutlich macht, dass die Effekte historischer Landnutzung auch bei Waldflächen eine Rolle spielen. "Faszinierend und herausragend an unseren neuesten Forschungsergebnissen ist, dass wir die Landnutzungsveränderungen in den Kontext politischer Veränderungen gesetzt haben und zeigen konnten, dass politscher Wandel das Ausmaß der Folgen prägt. Bei umfassenden politischen Veränderungen, wie der Ausbreitung des sozialistischen Systems in Osteuropa, sind die Auswirkungen historischer Landnutzungsentscheidungen größer und werden länger andauern."

Die Karpaten sind im Hinblick auf historischen Landnutzungswandel besonders interessant, da es in dieser Region in den vergangenen hundert Jahren zu etlichen abrupten Regimewechseln kam. Dazu gehören das Ende der Habsburger Monarchie, zwei Weltkriege, der Aufstieg und Kollaps der Sowjetunion und in jüngster Zeit der Anschluss an die Europäische Union. Dies stellte für die Forschungsgruppe das perfekte "natürliche Experiment" dar, um die Folgen historischer Landnutzung zu untersuchen. Die Autorinnen und Autoren sind überzeugt, dass die Forschungsfrage auch für andere Regionen der Welt gegenwärtig und relevant ist, nämlich bei allen Landschaften, die den historischen Fußabdruck menschlicher Aktivitäten tragen. Das Konsortium plant seine Analysen zukünftig auf andere Regionen auszudehnen, um die Zusammenhänge zwischen historischer Landnutzung und den gegenwärtigen Auswirkungen weiter aufzudecken.

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Weitere Informationen
Munteanu C, Kuemmerle T, Boltiziar M, Halada L, Kaim D, Király G, Konkoly-Gyuró E, Kozak J, Lieskovsky J, Mojses M, Müller D, Ostafin K, Ostapowicz K, Radeloff VC (2017) 19th century land use legacies affect contemporary land abandonment in the Carpathians, Regional Environmental Change Special Issue. doi:10.1007/s10113-016-1097-x

Munteanu C, Kuemmerle T, Keuler NS, Müller D, Balázs P, Dobosz M, Griffiths P, Halada L, Kaim D, Király G, Konkoly-Gyuró E, Kozak J, Lieskovsky J, Ostafin K, Ostapowicz K, Sandra O, Radeloff VC (2015) Legacies of 19th century land use shape contemporary forest cover, Global Environmental Change, 34: 83-94

Bildmaterial für Berichterstattungen
https://www.iamo.de/fileadmin/user_upload/Bilder_und_Dokumente/08-presse/PMs_fotos/2017/03-2017_Polish_Carpathians__c__Catalina_Munteanu_IAMO.jpg

Das Bild zeigt Ausschnitte dreier historischen Karten, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgewertet haben. Dargestellt ist ein Dorf in den polnischen Karpaten, im Jahre 1854 (oben), um ca. 1930 (Mitte) und 1956 (unten). Die roten Markierungen veranschaulichen, wie unterschiedliche Landnutzungen in verschiedenen Karten dargestellt wurden: Der rote Kreis zeigt ein Waldgebiet, das rote Dreieck landwirtschaftliche Flächen und das rote Quadrat Grünlandflächen.

Das Bild kann unter Angabe der Urheberrechte © Catalina Munteanu / IAMO für Berichterstattungen genutzt werden.

Über das IAMO

Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) widmet sich der Analyse von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie in den ländlichen Räumen. Sein Untersuchungsgebiet erstreckt sich von der sich erweiternden EU über die Transformationsregionen Mittel-, Ost- und Südosteuropas bis nach Zentral- und Ostasien. Das IAMO leistet dabei einen Beitrag zum besseren Verständnis des institutionellen, strukturellen und technologischen Wandels. Darüber hinaus untersucht es die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Agrar- und Ernährungssektor sowie die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung. Für deren Bewältigung werden Strategien und Optionen für Unternehmen, Agrarmärkte und Politik abgeleitet und analysiert. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 gehört das IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft an.

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