Warentermingeschäfte erfüllen in der Landwirtschaft wichtige Funktionen. Dazu zählen vor allem die Absicherung der Landwirt*innen gegen Preisschwankungen, eine Einkommensstabilisierung sowie die Erhöhung der Markttransparenz. In der wissenschaftlichen Literatur hat sich die sog. „Minimum Variance Hedge Ratio (MVH)“-Regel für die Minimierung von Kassapreis- und Basisrisiko durchgesetzt. Im aktuellen IAMO Policy Brief 39 nehmen die Autoren Sören Prehn, Thomas Glauben und Jens-Peter Loy diese Empfehlung kritisch in den Blick und raten Landwirt*innen und Landhändler*innen zu anderen Strategien, wenn sie wirtschaftliche Nachteile vermeiden und Vorteile ausnutzen möchten.
Warenterminmärkte wurden über Jahrzehnte fast ausschließlich von Landhändler*innen genutzt, während Landwirt*innen kaum ihre Vorteile wahrnahmen. Dies ändert sich seit einiger Zeit merklich. So agieren mittlerweile über ein Viertel der US-amerikanischen Großbetriebe und immerhin fünf Prozent der kleineren Betriebe direkt auf Warenterminmärkten. Vorteile liegen dabei nicht nur in der Absicherung von Kassapreisrisiken, es eröffnen sich vielmehr auch Einkommenschancen durch eine profitable Lagerhaltung.
Trotz der wachsenden Bedeutung von Warenterminmärkten für die Landwirtschaft fehlen in der aktuellen Literatur konkrete Handlungsempfehlungen. Die in der Wissenschaft verbreitete „Minimum Variance Hedge Ratio (MVH)“-Regel stellt nach Ansicht der Autoren Prehn, Glauben und Loy keine geeignete Orientierung der Risikoabsicherung dar. Mehr noch kann die Anwendung in der Praxis erhebliche Nachteile haben. Kurz gefasst: Die MVH-Regel führt auf inversen Märkten (Nachfragemärkten) zu einer „Überabsicherung“ und auf Carry-Märkten (Angebotsmärkten) zu einer „Unterabsicherung“. In beiden Fällen müssen Landwirt*innen und Landhändler*innen Gewinneinbußen hinnehmen, da sie ihre Lagerkosten nicht entlohnen können. Die Autoren empfehlen daher eine andere Strategie. So wäre auf einem Carry-Markt der Basishandel einhergehend mit einer hohen Absicherung der physischen Ware auf dem Terminmarkt die bessere Maßnahme. Bei inversen Märkten sei, im Gegensatz dazu, von jeglicher Absicherung auf Terminmärkten abzuraten. Hier zahlen sich eher spekulative Strategien mit Blick auf die Preistrends aus. Eine praktikable Faustregel sei: Kaufe bei schwacher und verkaufe bei starker Basis (Carry-Markt) oder spekuliere (inverser Markt).
Darüber hinaus regen die Autoren eine engere Zusammenarbeit zwischen Forschung und landwirtschaftlicher Praxis an. IAMO-Direktor und Universitätsprofessor Thomas Glauben rät: „Die Gestaltung von landwirtschaftlichen Termingeschäften sollte verstärkt in das Ausbildungsprogramm von Universitäten, (Fach-)Hochschulen sowie berufsbildenden Stätten aufgenommen werden, um frühzeitig die Möglichkeiten auf den immer wichtiger werdenden Warenterminmärkten kennenzulernen und deren Vorteile im Berufsleben gezielt zu nutzen.“
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Weitere Informationen
Der IAMO Policy Brief 39 Wozu dienen Warenterminmärkte wirklich? Eine Klarstellung. ist auf deutsch und englisch erschienen. Alle Ausgaben können hier kostenfrei heruntergeladen werden: www.iamo.de/publikationen/iamo-policy-briefs.
IAMO Policy Briefs
Mit den IAMO Policy Briefs bezieht das IAMO aufbauend auf die eigene Forschung zu wichtigen agrarpolitischen Fragen Stellung. In der Publikationsreihe werden verschiedene gesellschaftsrelevante Themen kurz und allgemeinverständlich dargestellt. Zur Zielgruppe zählen insbesondere Entscheidungsträger der Politik, Wirtschafts- und Medienvertreter sowie die interessierte Öffentlichkeit. Seit 2011 werden die IAMO Policy Briefs in unregelmäßiger Folge veröffentlicht.